Erika Sonnenberg, du kommst aus Oldenburg i.O….
Ja, und dort bin ich als therapeutische Seelsorgerin halbtags in der Baptistengemeinde angestellt. Ansonsten arbeite ich in freier Praxis und bin viel als Referentin bei Frühstückstreffen und bei Landfrauen und in Kirchengemeinden unterwegs.
Wie hast Du zum Glauben gefunden?
Durch meine Großmutter, die mein Vorbild war. Das war eine längere Entwicklung. Auf der Suche nach Leitung und Führung bin ich durch meine Großmutter in ihrer Gemeinde gelandet. Dort habe ich alle Gruppen durchlaufen, die angeboten wurden. Unsere Mutter musste den ganzen Tag arbeiten. Unser Vater ist im 2.Weltkrieg gefallen als ich 2 1/2 Jahre alt war. So wurde die Gemeinde ein zweites Zuhause für mich. Als unsere Mutter sich mit 46 Jahren das Leben genommen hat, stellte sich für mich ganz dringend die Frage nach dem Sinn des Lebens. Ich wollte nicht wie sie in der Verzweiflung enden und habe mit 18 Jahren mein Leben bewusst Gott anvertraut und mich taufen lassen.
Was ist für dich das Wichtigste am Glauben?
Dass wir von Gott geliebte Menschen sind, dass er eine Beziehung zu uns haben will, dass er uns Vergebung schenkt, dass wir durch seine Liebe heil werden können und lernen, nach seinem Willen zu leben und dass er uns durch dieses Leben ans Ziel führt.
Was tust Du, damit andere auf Gott aufmerksam werden?
Da ist zum einen meine Beratungstätigkeit. In dieser Arbeit kann ich Menschen von der Liebe Gottes erzählen und ihnen Mut machen, im Vertrauen auf ihn ihre Lebensschwierigkeiten zu überwinden. Aus eigenen schweren Erfahrungen heraus kann ich ihnen sagen: „Da ist einer, der dich liebt und der will, dass dein Leben gelingt!“ Ich freue mich, wenn Menschen neuen Lebensmut finden.
Die ENDLICH-LEBEN-GRUPPEN, eine „Lebensschule“ nach dem 12-Schritte-Programm, die wir in der Gemeinde eingerichtet haben, ist eine weitere großartige Möglichkeit. Menschen fühlen sich in den Gruppen angenommen, ihnen wird ganz konkret geholfen und sie werden Schritt für Schritt mit Gott bekannt gemacht. Wenn die TeilnehmerInnen das als Hilfe erlebt haben, geben sie es an andere weiter.
Die unterschiedlichen Tätigkeiten sind wie ein Netzwerk. Beratungen, Lebensschule, Frühstückstreffen, bei denen ich referiere, verschiedene Seminare zu Lebens-und Glaubensfragen, irgendwie greift alles ineinander.
Im Alltag singe ich oft fröhlich vor mich hin und werde nach dem Grund meiner guten Laune gefragt. Ich sage dann, dass es mehr als gute Laune ist und dass ich fröhlich bin, weil ich mich von Gott geliebt weiß. Vielleicht merken die Leute, dass ich in Gott ruhe. Durch alle Schwierigkeiten meines Lebens habe ich gelernt, Gott zu vertrauen. Und das erzähle ich den Leuten. Eine Klientin sagte zu mir: "Sie machen den Eindruck als seien Sie auf Rosen gebettet und würden auf der Sonnenseite des Lebens leben." Dieser Eindruck entsteht, weil ich nach allen Schwierigkeiten und Verlusten in meinem Leben gelernt habe, völlig auf Gott zu vertrauen.
Fällt es dir leicht, von Gott zu erzählen oder musst du dir manchmal einen Tritt geben?
Nein, eigentlich fällt es mir leicht. Die meisten Leute in meinem Umkreis wissen, dass ich Christin bin. Oft werde ich gefragt, warum ich so fröhlich bin. Das ist ein guter Anknüpfungspunkt. Weil ich es jedem wünschen würde im Vertrauen auf Gott zu leben, ergibt es sich ziemlich automatisch, dass ich von meinen Erfahrungen mit Jesus erzähle.
Als Glaubensanfänger hatte ich ganz große Schwierigkeiten damit, etwas von Gott zu erzählen. Wir „sollten“ bekennen. Das fiel mir damals schwer. Je mehr ich mit Gott erlebt habe, desto leichter ging das.
Wie gehst du in Gesprächen mit Fragen um, auf die Du selbst keine Antwort hast?
Dann sage ich, dass ich im Moment auch keine Antwort habe oder ich versuche, mit ihnen in der Bibel Antworten zu suchen oder ermutige sie, sich von Gott eine Antwort zu erbitten. Sinnloses Diskutieren vermeide ich. Oft erlebe ich, dass Leute mit Gott etwas anfangen können, aber mit Jesus Schwierigkeiten haben. Dann vertraue ich darauf, dass Gott selbst ihnen Jesus offenbaren wird. Gott macht das bei wirklich suchenden Menschen und das erlebe ich auch.
Was vermeidest du auf jeden Fall, wenn es um persönliche Evangelisation geht?
Leute zu bedrängen. Weil ich das schrecklich finde. Ich traue dem Geist Gottes zu, dass er das zur rechten Zeit machen wird. Ich will innerlich immer bereit sein etwas zu sagen, möchte aber gleichzeitig niemanden bedrängen. Dazu bitte ich Gott um Weisheit und darum, dass er den Menschen seine Wahrheit offenbart.
Gibt es ein Erlebnis zum Thema „Persönliche Evangelisation“ an das du dich besonders gerne erinnerst?
Nein, kein einzelnes Erlebnis. Grundsätzlich ist es für mich das Schönste mitzuerleben, wenn ein Mensch sein Herz der Liebe Gottes öffnet. Und da kann ich Wege auch ganz lange und geduldig begleiten. Das ist für mich das Größte, wenn ich dabei helfen kann. Das ist einfach schön.
Doch - ein bewegendes Erlebnis fällt mir ein. Eine Frau bat nach einem Vortrag um ein Gespräch und sagte: "Sie haben etwas, das möchte ich auch haben." Sie hatte schon einen Beratungsschein für eine Abtreibung in der Tasche. Nach unserem Gespräch und Gebet entschied sie sich, das Kind trotz schwieriger Lebensumstände zu behalten. Sie ist eine fröhliche, aktive Christin geworden und wenn ich das Kind erlebe, freue ich mich besonders.
Pastorin Elisabeth Seydlitz mit Erika Sonnenberg
Erika, Du bist seit 1997 in dieser Gemeinde als „Therapeutische Seelsorgerin“ angestellt. Viele werden gar nicht so genau wissen, was man sich darunter eigentlich vorzustellen hat.
Kannst Du das kurz erklären?
Therapeutische Seelsorge (TS) ist psychotherapeutisch orientierte Lebensberatung im Raum der Kirchen-Gemeinde.
Wie in der Psychotherapie ist das Ziel die seelische Gesundheit.
Darüber hinaus geht es um die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach der Beziehung zu Gott.
Kurz gesagt: Die Psychotherapie hat eine heilende Funktion, aber sie schafft kein Heil.
Sie hat das Wohl des Menschen im Auge, aber nicht seine Rettung.
TS versucht, beides zusammenzubringen.
Mit biblisch vertretbaren Methoden erarbeiten wir die Grundproblematik und dann darf ich als Seelsorgerin die Liebe und Vergebung Gottes „verkündigen“ und gegen alle Resignation ermutigen, der Macht Gottes zu vertrauen.
Wie ist es eigentlich damals zu Deiner Anstellung gekommen?
Einige aus der Gemeinde haben miterlebt, wie hilfreich TS für Einzelne war und Bedarf auch für unsere Gemeinde und Menschen im Umfeld der Gemeinde gesehen.
Aus Sorge, ich könnte „abgeworben“ werden, haben sie die Idee, mich in der Gemeinde anzustellen, beharrlich verfolgt.
Im Oktober 97 wurde ich dann befristet für 1 Jahr angestellt, ab Oktober 98 dann unbefristet.
Wenn ich zu Dir komme und ein Gespräch möchte: muss ich dann etwas bezahlen?
Wir haben damals abgemacht, dass einzelne Gespräche umsonst, längere Beratungsprozesse jedoch mit Kosten verbunden sind, den Möglichkeiten der Ratsuchenden angepasst. Das gilt natürlich in erster Linie für die Gemeinde und Freunde der Gemeinde. Anfragen aus anderen Gemeinden kann ich im Rahmen meiner ½ tags - Stelle nur begrenzt nachkommen.
Einzelgespräche beim Frühstückstreffen habe ich ehrenamtlich gemacht.
Darüber hinaus müssen Beratungsgespräche bezahlt werden, wie in jedem anderen Beruf auch.
Mit Deinem Namen sind verschiedene Aktivitäten verbunden, wie z.B. das „Frühstückstreffen für Frauen“ oder Seminarangebote. Wie würdest Du den Stellenwert dieser Arbeitsfelder für Dich beschreiben?
Es ist wie ein Netzwerk. Da mischt sich ehrenamtliche und berufliche Tätigkeit.
Das Ziel ist bei allen Aktivitäten das Gleiche: Menschen einzuladen, sich der Liebe Gottes zu öffnen und im Vertrauen auf ihn das Leben zu bewältigen.
Das gelingt sowohl über die Beratung, über das Frühstückstreffen als auch durch Seminare. Oft wirkt auch alles zusammen. Ich denke, der Aufatmen-Lobpreis-Gottesdienst gehört auch mit in dieses Netzwerk.
Seit einigen Jahren gibt es in unserer Gemeinde die „Lebensschule“, die ENDLICH-LEBEN-GRUPPEN, die auf Deine Initiative zurückgeht. Was stand für Dich am Anfang dieser Idee?
Ich habe gemerkt, dass ich den Bedarf an Seelsorge und Beratung (für viele ja auch ein Kostenfaktor) und stabilisierender Begleitung, für so viele Menschen nicht im nötigen Maß bieten kann. Weil ich die Menschen auch nicht an meine Person binden wollte, ist diese Idee entstanden. Das 12-Schritte-Programm fand ich schon lange überzeugend und dass wir es nun in unserer Gemeinde im Rahmen meiner Seelsorgearbeit tun dürfen, empfinde ich als großes Geschenk.
Inzwischen haben auch einige andere Gemeinden Interesse an dieser Arbeit bekundet.
Haben sich Deine Erwartungen erfüllt?
Ja, durch die Solidarität und das Vertrauen in der Gruppe sind etliche weitergekommen in ihrem Heilungs- und Entwicklungsprozess. Es sind Beziehungen entstanden, in denen man sich gegenseitig hilft, einige Teilnehmer kommen regelmäßig zu den Gottesdiensten, wollen am Alpha-Kurs teilnehmen oder suchen Anschluss in Hauskreisen.
Manche wiederholen die Lebensschule, um das Gelernte zu festigen. Ich bin gespannt auf die neue Gruppe, die sich ab Februar trifft.
Dein Arbeitsfeld hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert und erweitert. Bleibt da überhaupt noch Zeit für Einzelgespräche?
Auf jeden Fall! Und das ist immer noch meine liebste Arbeit. In den Einzelgesprächen finden wir heraus, was ein Ratsuchender braucht und hier entsteht auch oft erst das Vertrauen und der Mut, sich weiterführenden Angeboten zu öffnen, sich, wenn nötig, in eine Klinik zu begeben oder eine richtige Therapie zu machen.
Aber ich führe nicht mehr so viel verabredete Gespräche wie im Anfang. Vieles läuft nebenbei und zwischendurch oder auch telefonisch.
Letzte Frage: wenn Du im Blick auf Deinen Tätigkeitsbereich einen Wunsch frei hättest – welcher wäre das?
Am liebsten würde ich ohne den Druck arbeiten, meinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen.Ansonsten wünsche ich mir, dass unsere Gemeinde weiter Raum bietet, dass suchende und seelisch verletzte Menschen an der Liebe Gottes heil werden können.